Joseph Beuys, Underneath the Stars

Christiaan Tonnis

In the portrait, I stripped away the physicality of Beuys and tried to take a look inside him. I found a humorous, boyish, even timeless Beuys with a knowing, luminous gaze, but also a slight sadness that can be traced back to experiences in his early biography. I am writing this text and thinking of Beuys‘ »It all depends on the warmth character in thinking«, and his image of the white stag that has magic powers, which runs with its antlers against a wall that immediately opens. The stag enters a subterranean vault in which there is a glass coffin. Those trapped here are freed. In Beuys‘ work, the glass coffin stands for being trapped in a scientific way of thinking. It is an image of reduction to the merely rational. In Beuys‘ work, the mineral-crystalline has the character of death and stands in contrast to life, movement and warmth; it stands metaphorically for the exact, crystal-clear thinking that characterises natural science. Here I would like to make a link to Thomas Bernhard, his acceptance speech for receiving the Bremen Prize for Literature, in which the above is illuminated from an almost identical perspective. We are all frightened, Bernhard says, frightened by the clarity of which our world – our scientific world – is made, we freeze in this clarity that we have willed and even conjured up. Therefore, we must not complain about the prevailing coldness. Clarity and coldness will increase and determine our lives. The science of nature will give man a higher clarity and will be a much grimmer cold than he can ever imagine. Joseph Beuys has shown us the way out of this coldness.

Christiaan Tonnis, 09 May 2021


In dem Porträt habe ich das Körperhafte von Beuys abgezogen und versucht, einen Blick in sein Inneres zu werfen. Ich fand einen humorvollen, jungenhaften, ja zeitlosen Beuys mit wissendem, leuchtendem Blick, der aber auch eine leichte Trauer aufweist, die auf Erlebnisse in seiner frühen Biografie zurückzuführen sind. Ich schreibe diesen Text und denke an Beuys‘ „Es kommt alles auf den Wärmecharakter beim Denken an“, und sein Bild des weißen Hirschen, der Zauberkräfte hat, der mit dem Geweih gegen eine Wand rennt, die sich sofort öffnet. Der Hirsch dringt in ein unterirdisches Gewölbe ein, in dem ein Glassarg steht. Die hier Eingeschlossenen werden befreit. Der Glassarg steht bei Beuys für das Gefangensein in naturwissenschaftlicher Denkungsart. Er ist ein Bild für die Reduktion auf das Nur-Rationale. Bei Beuys hat das Mineralisch-kristalline einen Todescharakter und steht im Gegensatz zum Leben, zu Bewegung und Wärme, es steht metaphorisch für exaktes, kristallklares Denken, welches die Naturwissenschaft auszeichnet. Hier möchte ich eine Verknüpfung zu Thomas Bernhard vornehmen, seiner Dankesrede für den Empfang des Bremer Literaturpreises, in der das oben Beschriebene aus einer fast identischen Perspektive beleuchtet wird. Wir alle sind erschrocken, so Bernhard, erschrocken von der Klarheit, aus der unsere Welt – unsere Wissenschaftswelt – ist, wir frieren in dieser Klarheit, die wir gewollt und sogar heraufbeschworen haben. Deshalb dürfen wir uns über die herrschende Kälte nicht beklagen. Klarheit und Kälte werden zunehmen und unser Leben bestimmen. Die Wissenschaft von der Natur wird dem Menschen eine höhere Klarheit geben und eine viel grimmigere Kälte sein, als er es sich je vorzustellen vermag. Joseph Beuys hat uns den Ausweg aus dieser Kälte gezeigt.

Christiaan Tonnis, 09. Mai 2021

 

Literature references:
Harlan, Rappmann, Schata: Soziale Plastik - Materialien zu Joseph Beuys. Achberger Publishing House 1976
Speech at the award ceremony of the Rudolf Alexander Schröder Foundation 1965 / Literature Prize of the Free and Hanseatic City of Bremen. In: Jahresring 1965/66, Stuttgart 1965, pp. 243-245.
Literaturhinweise:
Harlan, Rappmann, Schata: Soziale Plastik – Materialien zu Joseph Beuys. Achberger Verlag 1976
Rede zur Verleihung des Preises der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung 1965 / Literaturpreis der Freien und Hansestadt Bremen. In: Jahresring 1965/66, Stuttgart 1965, S. 243-245.